Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualiseren Sie auf Edge, Chrome, Firefox.

Journal

20.02.2024

Julia Toggenburger lässt sich von «Stein sein» inspirieren

Julia Toggenburger (*1991) ist Autorin, Musikerin, DJ, Radiomacherin und vieles mehr. Sie schreibt Lyrik, experimentelle Prosa und Texte für die Bühne. Mit Bezug auf die Produktion «Stein sein» hat Julia Toggenburger vom Kellertheater Winterthur eine Carte Noire erhalten und reagiert auf den Inhalt des Stückes, wodurch dreierlei literarische Werke entstehen: Ein Radiobeitrag, ein Song und eine Live-Performance im Kellertheater Winterthur.

Wenn Julia Toggenburger sich nicht mit der Carte Noire beschäftigt, überarbeitet sie derzeit das Manuskript ihres zweiten Buches. Ihr erster Lyrikband «Nebelgrenze» erschien Ende 2022 und ist bereits vergriffen. Er beinhaltet drei Langgedichte und acht kurze Lyrikstücke. Die Texte schaffen fast fotografische Momente, in denen sich Erinnerungen durch die Natur bewegen.

der schnee kommt

als woge aus westen

tastet sich das tal entlang

hastet niemals, er hat zeit
erst später

kommt sie ihm abhanden

aus: Nebelgrenze, Mäd Book 2022

Toggenburger beschäftigt sich auch in der Carte Noire mit Natureindrücken, mit dem, was uns umgibt und ein lyrisches oder erzählendes Ich prägt. Sie schafft dabei anhand von Sprache einen eigenen, neuen Raum: „Beim Schreiben versuche ich einen Raum zu schaffen, indem ich mich von der Sprache leiten lassen kann. Da rücken thematische Punkte auch mal in den Hintergrund. Es geht darum, dass der Sound der Sprache möglichst gross werden kann und ich mich darin, in diesem Sound, frei bewegen kann.“

Für die Carte Noire hat Julia Toggenburger mehrere Proben von Theater Marie besucht. Sie besuchte sowohl frühe Proben, während derer das Produktionsteam ebenso nach einer Sprache und einem Klang gesucht hat, als auch Proben, die bereits im original Theaterraum stattgefunden haben und in denen der Bogen des Theaterabends überprüft wurde. Für ihre Carte Noire habe sie dabei vor allem viele Notizen gemacht: „Ich habe versucht, Stimmungen und Fragestellungen einzusaugen. Danach habe ich selber geschrieben und Text produziert.“ Aus diesen frühen eigenen Texten hat sie die für sich dringlichen Themen und Gedanken destilliert. Neben der Suche nach dem Sound für die Live-Performance und danach, wie diese dringlichen Fragen in dieser Vorstellung stimmig untergebracht werden können, hat Toggenburger aus diesen Texten einen Song geschrieben. „Die klassische Songstruktur war für mich Neuland“, sagt sie dazu. „Ich verstehe einen Liedtext als eigene kleine Geschichte, die einen Bogen fahren soll und zwischen klarem Start- und Endpunkt durch fixe Elemente nochmals auf eine eigene Art rhythmisch gegliedert ist – was eine ganz andere Arbeit ist, als sich von einem Langgedicht fort- oder mittragen zu lassen. Seine stimmige Form fand dieser Text dann schlussendlich erst zusammen mit der Musik, die in diesem Fall für das Tragen zuständig war.”

Über die konkrete Live-Performance will sie noch nicht zu viel verraten: „Es gehört zum Prinzip des Abends, dass vieles, was darin passiert, eine Überraschung ist.“ Es ist Teil des Spielprinzips, dass nicht von vornherein bekannt ist, was die Zuschauer:innen erwartet. Die Performance soll eher ein Gefühl vermitteln, als einer Erzählung folgen: „Wir wollen eine Stimmung herstellen, die verglichen werden kann mit einem Leben im jetzigen Zustand unseres Planeten – mit all den Fragen, die darin ausgesprochen oder unausgesprochen schlummern und wo wir dabei hingehen als Bevölkerung.“ Mit ihr auf der Bühne ist Gitarrist Omar Fra. Der Winterthurer Pop-, Rock- und Experimentalmusiker spielt und komponiert mit ihr für die Carte Noire, zusammen erfinden sie den Klang für diesen Abend.

Die Autorin interessiert sich dafür, wie unterschiedlich Menschen auf die Themen Umwelt, Natur und klimatische Entwicklungen reagieren. Die Subjektivität der einzelnen, der unterschiedliche Blick reizt sie: „Je nach Zugehörigkeit zu einer Generation, je nach Herkunft usw. denken Menschen anders darüber, was mit dieser Welt passieren wird.“ Sie vermutet, dass Menschen unterschiedlicher Generationen daher auch ihre Live-Performance unterschiedlich wahrnehmen und einordnen werden. „Für diese Arbeit nehme ich mich selbst als prototypische Zuschauerin an“, sagt sie.

Auf die Frage, was die Hauptinspiration zu ihrer Carte Noire sei, antwortet sie nach kurzem Zögern, „Weltuntergang“, und lacht. Ohne zu erklären, was uns erwartet, lässt sie erahnen, dass die Performance ein literarisches Erlebnis werden kann, das von der Sehnsucht nach Hoffnung, nach Leben, nach einem Blick ins Weite geprägt ist und von der ernüchternden Möglichkeit eines nahenden Endes.

Ist es eine Trauerfeier? Ist es eine Abschiedsparty? Wir werden es erleben.

 

Die Live-Veranstaltung mit Julia Toggenburger und Omar Fra findet am 13. März im Kellertheater Winterthur statt.