Journal
100 Tage Praktikum
Seit 100 Tagen macht Malina Mikulan das Praktikum bei Theater Marie. Zu diesem Anlass haben wir ein Interview mit ihr geführt, in dem sie von ihren Erfahrungen berichtet.
Wie würdest du Theater Marie jemandem beschreiben, der/die es nicht kennt?
Theater Marie ist ein kleines Theater, das in einem alten Kino aus den Sechzigerjahren zuhause ist. Wir haben eine Probebühne, spielen aber an verschiedenen Orten in der Deutschschweiz. Das Team ist eher klein. Es arbeiten 5-6 Leute im Betrieb, die jedoch alle auch Regie, Produktionsleiterin, Technik und Bühnenbild, Schauspiel oder Theaterpädagogik machen. Und ich mache halt da das Praktikum.
Wie war die Ankunft? Hast du dich eingelebt?
Die Ankunft war positiv überfordernd. Ich kam direkt aus einem anderen Projekt ins Marie geschneit und musste mir zuerst mal das ganze Wissen einverleiben, wie mein neuer Arbeitsplatz funktioniert. Aber dadurch, dass ich mein Leben dann laufend sortiert habe, hat sich auch mein Berufsalltag geordnet. Das heisst, ja, ich habe mich langsam eingelebt.
Erste Eindrücke?
Der erste Eindruck hat eigentlich auf Instagram stattgefunden. Da habe ich zuerst die Ausschreibung für «Dunst», das neue Stück der Jungen Marie, gesehen und entschieden, dass mich die Themen dieses Theaters interessieren, auch in meine Themenfelder einfliessen. So bin ich dann auf die Ausschreibung für das Jahrespraktikum gekommen und habe mich schliesslich für dieses beworben, da sich meine Interessen vor allem auf die Aufgaben und Prozesse hinter der Bühne verlagert hatten.
Kriegst du die Regiearbeit und Proben mit?
Eher weniger, ich kann aber daran teilhaben, wenn ich schon alles andere erledigt habe. Ausser während der zwei-wöchigen Regieassistenz bei «Dunst» war ich voll mit dabei im Recherche- uns Probeprozess, habe Proben dokumentiert, protokolliert und konnte einige Aufwärmen machen.
Was war deine erste Produktion, bei der du dabei warst?
Meine erste Produktion war «Höhere Gewalt», bei der Maria Ursprung die Regie gemacht hat. Den Probeprozess habe ich nur nebenbei mitgekriegt, da ich hauptsächlich Social Media gemacht habe. Ich hatte zuvor schon Videos geschnitten, es war jedoch das erste Mal, dass ich das Videomaterial nicht selbst aufgenommen hatte. Dadurch musste ich mir das Schnitt-Programm beibringen, um die nötigen Anpassungen zu machen.
Da wir im Büro auf engem Raum arbeiten, essen alle zusammen zu Mittag. Das Team und die Produktionsmitglieder setzten sich alle um einen Tisch, essen gemeinsam und unterhalten sich. Die dabei entstehende Gemeinschaft bringt Schwung in den Alltag im Büro. Während der Endproben war ich beim Umzug in die Alte Reithalle in Aarau dabei und habe da meine erste technische Einrichtung mitgemacht. Mit der Bühnentechnik war ich bis dahin noch nicht konfrontiert gewesen.
Es war faszinierend, zu sehen welche Schritte das Stück in diesen letzten Tagen gemacht hat. Es war eine neue Erfahrung für mich beim Endspurt vor einer Premiere hinter den Kulissen dabei zu sein.
Du hast dich für dieses Praktikum entschieden, weil du herausfinden wolltest, wie es bei dir beruflich weitergehen soll. Wohin hat dich das Theater Marie bis jetzt in diesem Entscheidungsprozess gebracht?
Meine eigentliche Erkenntnis ist, dass mich jeder Bereich interessiert. Ich liebe es, die Regiearbeit mitzukriegen, Proben zu besuchen, bei der Vermittlungsarbeit dabei zu sein, die Öffentlichkeitsarbeit zu machen und würde gerne auch mehr ins Bühnenbild und das Technische eintauchen.
Die Schwierigkeit liegt mehr darin, einen Studiengang zu finden, in dem ich mich nicht allzu sehr einschränken muss.
Ich versuche sicher die Aufnahme ins Theaterpädagogik-Studium, wenn es nicht klappt, studiere ich an der Uni allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft weiter. Ich merke aber, dass ich mich bewegen möchte, praktisch arbeiten möchte, aber auch gerne in Inhalte und Texte eintauche. In dem hat mich das Praktikum bestätigt.
Was nimmst du bis jetzt mit aus dem Marie?
Während meiner bisherigen Zeit im Marie habe ich verschiedene Spielorte kennengelernt, die ich zuvor noch nicht gekannt habe. Oftmals hat eine Aula eines Schulhauses oder eine Mehrzweckhalle im Dorf nicht die Ausstattung eines Theaters. Das heisst, dass wir das ganze Material mitnehmen und uns einrichten, dass die Stücke in diesen Räumen gespielt werden können. Es gefällt mir, Räume fürs Theater bewohnbar zu machen, damit wir auch in abgelegenen Orten spielen können, denn die Erfahrungen da habe ich als sehr positiv und tiefgreifend empfunden. Alle kommen zusammen, aus den unterschiedlichsten Ecken und verwirklichen diesen Abend. Ich habe nicht das Gefühl, in einer Bubble zu versinken, obwohl ich einen grossen Teil meiner Zeit im Theater verbringe. Ich nehme also die Auseinandersetzung mit Zugänglichkeit mit, sowie ohne Angst auf Hürden und Probleme zuzugehen.
Was war unerwartet, was überraschend?
Ich war überrascht, wie viel von einem Stücktext während dem Probeprozess entwickelt und angepasst wird. Ich kannte diesen Prozess vorher noch nicht, ich war jedoch inspiriert davon, Texte aufbauend auf der Dynamik der Schauspielenden, mit der Spielart der Schauspielenden mitzuschreiben. Ich hatte zuvor auch noch nie erlebt, dass Autor:innen auch Regie führen, ich kannte nur das gemeinsame Entwickeln eines Textes, dem das Aufführen eines schon existierenden Textes gegenüberstand. Ich empfinde jedoch die Nähe zum Text, die durch diese Doppelbesetzung von Regie und Autor:innenschaft entsteht, als eine bereichernde andere Herangehensweise an Texte.
Diese Vermischung von Aufgaben zieht sich durch die gesamte Arbeitsweise des Thetaer Marie durch. So Sind Schauspielende auch Regisseur:innen, Theaterpädagog:innen auch Musiker:innen, administrative Leitung und Produktionsleitende, Autor:innen machen ebenfalls Öffentlichkeitsarbeit, die Technik macht auch Bühnenbild. Diese kleine Umverteilung der Verantwortungen machen die Arbeit im Theater Marie divers und vielschichtiger und eröffnen weitere Möglichkeiten, Geschichten anders zu erzählen, mit der Zeit zu gehen.
Alle machen einiges oder sogar alles. Das heisst alle schleppen die Bühnenteile und die Rakkokisten, unsere ständigen Begleiter, vom Auto auf die Bühne und wieder zurück. Der Bizeps arbeitet also unerwarteterweise mehr mit als gedacht.
Mir als Praktikantin wurde schnell Verantwortung übergeben. Ich wurde von Anfang an nicht geschont und konnte mich voll in den Theaterbetrieb hineingeben.
Die Flexibilität mit den Arbeitszeiten, die jede:r an den Tag legt im Marie, habe ich ebenfalls nicht erwartet.
Was war dein bisheriger Höhepunkt?
Mein bisheriger Höhepunkt waren die zwei Recherchewochen für «Dunst». Es war eine Abwechslung, in Inhalte eintauchen zu können, Gruppendynamiken zu erfassen und aufzunehmen, einer Stückerarbeitung beizuwohnen und auf die Verschiedenen Charaktere einzugehen. In der Regieassistenz habe ich verschiedene Methoden gelernt, um Material zu sammeln und in Form von Improvisationen auf die Bühne zu bringen. Da ich einige Male das Einwärmen Aufwärmen anleiten konnte, war es mir möglich, meinen Sinn zu schärfen, was die Gruppe braucht, um sich auf die Proben vorzubereiten.
Was sagst du Leuten, die sich überlegen das dieses oder ein ähnliches Praktikum zu machen?
Setz dich mit den Inhalten der Stücke und der Struktur des Theaters auseinander. Welche Themen werden abgehandelt? interessiert dich das? Willst du Teil von diesen Prozessen sein? Was kannst du mitnehmen?
Gleichzeitig hilft es natürlich theaterinteressiert zu sein und Freude am Ausprobieren zu haben, denn im Theater Marie bietet sich die Möglichkeit in viele verschiedene Bereiche zu sehen.
Was sind deine Lieblingsaufgaben?
Am liebsten betreue ich Aufführungen und richte Bühnen ein, denn da komme ich dazu, die Stücke zu schauen. Selbst nach dem zweiten oder dritten Mal fallen mir immer wieder neue Dinge auf. Ich mag die Spannung, bevor es losgeht. Ich liebe es, auf die Details der Bühneneinrichtung zu achten und Teil eines eingespielten Teams zu sein, das zusammen Räume verwandelt. Beim Soufflieren kann ich mit dem Stück mitgehen und achte durch die ganze Aufführung auf die kleinsten Veränderungen der Körpersprache.